Volksstimme vom 17.08.2021
Von Salzwedel nach Wittenberge: Dampflokfreunde im Exil
Historische Eisenbahntechnik
von Alexander RekowDie Dampflokfreunde Salzwedel haben gerufen, die Besucher aus nah und fern haben gehört: Zahlreiche Gäste sind zum Sommerdampf des Vereins in den historischen Lokschuppen nach Wittenberge geströmt. Dazu gehörten auch einige Altmärker, die die alte Technik nur zu gern in Salzwedel behalten hätten.
Wittenberge/Salzwedel Es zischt, es dampft, es rappelt und schnauft, wenn die Dampflokfreunde Salzwedel der alten Eisenbahntechnik Leben einhauchen. So geschehen kürzlich im historischen Lokschuppen Wittenberge. Dort hat der Salzwedeler Verein im Exil wieder die Massen zu sich gelockt. Mit dabei auch einige Westaltmärker, die die historischen Schienenfahrzeuge und den Verein gern weiterhin in der Hansestadt behalten hätten.
„Da ist sie“, sagt ein Großvater zu seinem Enkel und zeigt auf ein schwarzes Ungetüm. 50 3682-7 steht in großen weißen Ziffern auf der Dampflok. „Das ist die ,Schwarze Lady’ aus Salzwedel“, erzählt der Senior dem Dreikäsehoch weiter, „damit ist dein Vater schon beim Lokschuppenfest mitgefahren.“ Es sind Erinnerungen wie diese, die in Wittenberge unter Eisenbahn-Fans geteilt werden. Und diese sind aus nah und fern gekommen, wie die Kennzeichen der Autos vor dem historischen Lokschuppen zeigen. Berlin, Magdeburg, Stralsund, Fulda – und eben Salzwedel.
„Am Sonnabend war hier die Hölle los“, erzählt Vereinsmitglied Bodo Schliebener. Der Rentner fährt beim Sommerdampf 2021 in Wittenberge mit einem Schienentrabbi und einer Draisine als Anhänger dahinter die Gäste über das große Vereinsgelände. Der Schienentrabbi basiert auf einem Trabant P50 und war schon in Salzwedel ein Hingucker. „Ich bin mit dem Verein nach Wittenberge mitgegangen“, sagt Schliebener, den die Eisenbahntechnik nach wie vor begeistert.
In Wittenberge haben sie uns mit offenen Armen empfangen.
Björn Strähle
Und damit ist er nicht allein. Denn schon in Salzwedel zog der Verein bis zu 1500 Menschen bei Veranstaltungen in seinen Bann. Doch 2012 war Schluss damit. Nach 18 Jahren am Standort Salzwedel zogen die Vereinsmitglieder mit ihren Eisenrössern an den Standort Wittenberge. Die finanzielle Unterstützung, die sie von der Hansestadt für einen Betrieb des denkmalgeschützten Areals gebraucht hätten, blieben aus. Die Stadt um die damalige Oberbürgermeisterin Sabine Danicke hatte den Verzicht auf eine Unterstützung mit bestehenden Sparzwängen begründet. „In Wittenberge aber haben sie uns mit offenen Armen empfangen“, erinnert sich Vereinsgründungsmitglied Björn Strähle zurück, „die haben das touristische Potenzial erkannt.“ Er könne sich noch gut erinnern, als die Stadt Wittenberge beim Verein anfragte, was alles am Gelände für einen Betrieb gemacht werden müsse. „So was hat man uns in Salzwedel in 18 Jahren nicht gefragt“, sagt er.
Doch zurück ins Heute, wo Björn Strähle noch immer für den aus DDR-Zeiten stammenden Katastrophenzug zuständig zeigt. Waggons, die einen Hilfszug bildeten, um bei Naturkatastrophen oder schweren Unglücken zur Versorgung Kranker oder Verletzter eingesetzt zu werden. Mit Küchen- und Maschinenwagen, Operationssaal und allem Tammtamm. Altmärker, die mal bei einem Lokschuppenfest in Salzwedel waren, kennen das. Begehbare Geschichte zum Anfassen.
Hauptattraktion waren und sind auch heute noch die Führerstandsfahrten auf einer Dampflok. Wie schon in Salzwedel, haben die Dampflokfreunde wieder ein Eisenross der Baureihe 50 angeheizt. Mit Vereinsmitglied Dennis Kathke sind die Gäste schließlich auf einem Gleis mitgefahren, haben sich die Technik erklären lassen. Es ist zwar nicht mehr die eingangs erwähnte 50 3682-7, doch die Faszination ist die gleiche, wenn der Heizer den Feuerschlund für die Kinder öffnet und es mit mächtigem Getöse die Strecke entlang geht.
Was bleibt, sind glückliche Gäste, die für Dampfloks nach Wittenberge statt Salzwedel gekommen sind.
Bodo Schliebener war schon in Salzwedel dabei. In Wittenberge kümmert er sich weiterhin liebevoll um die Draisinen der Dampflokfreunde. Foto: Alexander Rekow |
Die Dampflok Emma von 1925 war ein Publikumsmagnet: Gemächlich schnaufte die kleine Lok mit Gästen über das historische Vereinsgelände. Foto: Alexander Rekow |
Die Dampflokfreunde Salzwedel konnten im historischen Lokschuppen Wittenberge beim Sommerdampf 2021 wieder zahlreiche Besucher aller Altersgruppen begrüßen. Mit dabei die Dampflok 50 3682-7, bekannt als „Schwarze Lady“ (2. von rechts), die seinerzeit in Salzwedel schon die Gäste bei Führerstandsfahrten in ihren Bann gezogen hat. Foto: Alexander Rekow |
Dennis Kathke fuhr Besucher im Führerstand einer Dampflok der Baureihe 50 über das Gelände. Foto: Alexander Rekow |
Schilder wie diese zeigen die Verbundenheit des Vereins in den Altmarkkreis Salzwedel. Foto: Alexander Rekow |
Das ehemalige Salzwedeler Bier Soltmann auf einem Waggon. Foto: Alexander Rekow |
Eine Elektrolokomotive auf der Drehscheibe. Foto: Alexander Rekow |
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