Dieser Artikel stammt aus der Volksstimme vom 25. April 2006
Die Volksstimme stellt in ihrer Serie "Bahnstrecken im Altmarkkreis" die Geschichte von noch existierenden und fast vergessenen Zuglinien in der Region vor. In der heutigen siebten Folge: die Verbindung Lüchow - Schmarsau. Von Bodo Habermann und Torsten Adam |
Salzwedel. Anfang des vergangenen Jahrhunderts gab es im Wendland Bestrebungen, das Lemgow eisenbahntechnisch zu erschließen. In Lüchow bestand seit 1891 die Staatsbahnstrecke Salzwedel - Dannenberg. Es war vorgesehen, die Bahn bis nach Arendsee zu bauen, um von dort aus über Wittenberge Berlin zu erreichen. Doch die Lüchower Geschäftsleute stellten sich quer, da sie befürchteten, dass die Kaufkraft in die Altmark verloren geht. Der Preußische Staat, die Provinz Hannover und die Stadt Lüchow schlossen am 16. April 1910 einen Gesellschaftervertrag. Anfang 1911 begannen die Bauarbeiten. Am 14. Dezember 1911 wurde die 17,2 Kilometer lange Strecke Lüchow - Schmarsau eröffnet.
In beide Richtungen fuhren täglich drei Züge, die besonders für den Schüler- und Berufsverkehr genutzt wurden. In Lüchow bestand ständig ein günstiger Zuganschluss nach Salzwedel. Einen kurzen Aufschwung erlebte der Güterverkehr, als in den 1920er Jahren Raseneisenerz im Lemgow abgebaut wurde. Derenburg und Großwitzeetze waren die Verladestationen. Doch sehr schnell ließ man vom minderwertigen Raseneisenerz ab. Der Güterverkehr ging erheblich zurück. Aus Kostengründen kam ab 1933 ein Dieseltriebwagen für den Personenverkehr zum Einsatz.
Zwischen Lüchow und Schmarsau verkehrten zwischen 15. April und 31. Juli 1945 keinerlei Züge. Durch die Ziehung der Zonengrenze nahm diese Strecke jedoch noch einmal enorm an Bedeutung zu. In unmittelbarer Nähe zur Altmark lagen die Stationen Großwitzeetze, Bockleben und Schmarsau. Tausende Grenzgänger nutzten die Bahn zum Schwarzhandel. Im Volksmund hieß die Bahn inzwischen "Heringsexpress". Heringe waren nämlich ein beliebtes Zahlungsmittel zwischen Bremerhaven, Berlin und Zwickau. Über den "Heringsexpress" stellte 1996 das N3-Fernsehen einen 80-minütigen Dokumentarfilm her. Die Eisenbahnszene wurde mit Unterstützung der Dampflokfreunde, ihrer Dampflok 50-3-682 und dem dazugehörigen Fahrzeugpark in Salzwedel gedreht. Gab es bis 1934 durchschnittlich etwa 34 000 Reisende im Jahr, beförderte der "Heringsexpress" 1947 schon 515 000 Personen. Der Güterverkehr nahm wieder kräftig zu, der Triebwagen reichte nicht mehr aus. Eine dreiachsige Hanimas-Dampflok, Baujahr 1911, und die nur zwei vorhandenen Personenwagen kamen zum Einsatz. Selbst offene Güterwagen wurden zum Personentransport eingesetzt. Der Kassenbestand der Bahn wuchs erheblich. Noch 1961 wurden 100 000 Personen und 50 000 Gütertonnen gezählt. In den 60er Jahren befuhr ein großer Triebwagen mit der Nummer 156 die Strecke. Er beförderte auch Güterwagen. In Derenburg wurde für einen Brennstoffhändler in Gartow ständig ein Kesselwagen mit Heizöl auf das Verladegleis gebracht. Ansonsten wurden besonders landwirtschaftliche Güter transportiert.
Doch das Ende der Bahn war abzusehen, die Güter wechselten ebenso wie die Personen immer mehr von der langsamen Schiene auf die Straße. Am 31. März 1969 fuhr der letzte Personenwagen. Die grüne Grenze war durch große Zäune, Minenfelder und Mauern undurchdringbar geworden. Das bedeutete das Aus für die Grenzgänger. 57 Jahre und dreieinhalb Monate bestand die Strecke ins Lemgow. Der Triebwagen 156 übernahm weitgehend den Abtransport des Gleismaterials, der kurz nach Betriebseinstellung begann.
Der ehemalige Bahnhof in Schmarsau ist zu einem Wohnhaus umgebaut worden, bietet auch Fahrradtouristen eine Unterkunft.
Die Diesellok 261 der Lüchow - Schmarsauer Eisenbahn stand viele Jahre am Lüchower Lokschuppen. Fotos: Bodo Habermann